Advent, Advent, die nachbarliche Lichterkette brennt

Die Adventszeit ist eine Zeit der Besinnung und der Festlichkeit. Traditionell gehören zur Advents- und Weihnachtszeit auch festliche Beleuchtungen an Wohn- und Geschäftshäusern. Besonders üppige und helle Beleuchtungsanlagen führen dabei aber regelmässig zu nachbarrechtlichen Konflikten. Nachstehend sollen die einschlägigen rechtlichen Normen und die dazu ergangene bundesgerichtliche Rechtsprechung im Sinne eines Überblicks aufgezeigt werden.

Umweltschutzgesetz

Künstliches Licht fällt unter die Definition einer Einwirkung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 USG und ist daher am Ort ihres Einwirkens als Immission zu bezeichnen (Art. 7 Abs. 2 USG). Das im Umweltschutzgesetz verankerte Vorsorgeprinzip gilt auch im Hinblick auf Lichtimmissionen, wonach schädliche oder lästige Einwirkungen frühzeitig zu erkennen und zu begrenzen sind (Art. 1 Abs. 2 USG sowie Art. 11 Abs. 1 und 2 USG). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bestehe, da bislang Erkenntnisse zur Quantifizierung der negativen Auswirkungen von Lichtimmissionen auf Pflanzen und Tiere fehlen, ein gewichtiges öffentliches Interesse, unnötige Lichtimmissionen im Rahmen der Vorsorge zu begrenzen (BGE 140 II 33 E 5.4). Dies gelte, so das Bundesgericht weiter, nicht nur für öffentliche Beleuchtungsanlagen und besonders intensive private Lichtimmissionen (wie etwa Skybeamer), sondern für jede künstliche Lichtquelle, die potentiell unerwünschte Lichtimmissionen verursacht (BGE 140 II 33 E 5.5). Gemäss dem Vorsorgeprinzip soll nur beleuchtet werden, was beleuchtet werden muss und auch dies nur mit der geringstmöglichen Gesamtlichtmenge.

Vorneweg ist aber festzuhalten, dass es sich bei Weihnachtsbeleuchtungen im Grundsatz nicht um eine unerwünschte Immission handelt, was bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Umweltschutzrechts ins Gewicht fällt

Fehlende Grenzwerte – Einzelfallbeurteilung

Für sichtbares Licht gibt es (noch) keine Immissionsgrenzwerte. Die Behörden sind daher gehalten, Lichtimmissionen im Einzelfall mit dem Ziel zu beurteilen, die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden zu schützen. Mithin hat sich ein/e Richter/In im Streitfall unmittelbar auf Art. 11 bis 18 USG zu stützen (BGE 124 II 219 E. 7a mit Hinweisen).

Damit eine Weihnachtsbeleuchtung beschränkt werden könnte, müsste zunächst eine Lichtimmission nachgewiesen werden. Hierzu ist es gemäss Rechtsprechung notwendig, dass das Licht, vom Grundstück der Beschwerdeführerin aus, überhaupt wahrnehmbar ist. Wenn keine direkte Sichtverbindung besteht, ist zu untersuchen, ob und falls ja wie stark, bspw. der Nachthimmel durch die Beleuchtung aufgehellt wird. Die Lichtimmission muss mit anderen Worten deutlich wahrnehmbar sein. Dies ist aufgrund qualitativer Kriterien (Art des Lichts, d.h. Flackern, Blinken etc.) und quantitativer Kriterien (Ausmass der Raumaufhellung) zu beurteilen. Dabei sind insbesondere die Umgebung und die darin vorbestehenden Lichtimmissionen zu berücksichtigen (BGE 140 II 214 E. 2.4.; BGer 1C_475/2017 v. 21.9.18, E. 5.2.).

Besonders in dichtbesiedelten Gebieten, bei denen der nächtliche Himmel ohnehin bereits beträchtlich aufgehellt ist, wird die durch eine Weihnachtsbeleuchtung bewirkte Erhellung also wohl kaum wahrnehmbar und deshalb bei fehlender direkter Sichtverbindung auch nicht zu beanstanden sein.

Für Beleuchtung gilt weiter grundsätzlich dasselbe Nachtruhefenster wie für Lärmimmissionen, also von 22:00 Uhr – 6:00 Uhr (BGE 140 II 33 E. 5.5). Betreffend Zierbeleuchtungen hat das Bundesgericht in einem Grundsatzentscheid festgehalten, dass diese in der Advents- und Weihnachtszeit verbreitet und üblich seien, weshalb in diesem Zeitraum die Akzeptanz für Zierbeleuchtungen (sowie die daraus entstehenden Lichtimmissionen) allgemein höher sei. In der Advents- und Weihnachtszeit könnten daher sogar grosszügigere Abweichungen vom Nachtruhefenster toleriert werden (BGE 140 II 33 E. 6 ff.).

Kantonale und kommunale Erlasse

Neben Beachtung der bundesrechtlichen Vorgaben lohnt sich auch ein Blick in die kantonalen und kommunalen Polizeiverordnungen. Mancherorts ist darin festgelegt, dass Weihnachtsbeleuchtungen erst ab dem Wochenende des ersten Advents eingeschaltet werden dürfen oder während bestimmten Nachtzeiten auszuschalten sind. Bei Missachtung dieser Vorschriften drohen Ordnungsbussen.

Baubewilligungspflicht

Ob für ein Vorhaben innerhalb der Bauzone eine Baubewilligungspflicht besteht, beurteilt sich nach Art. 22 RPG und nach dem kantonalen Recht – so im Aargau etwa in § 59 ff. BauG und § 49 ff. BauV.

Ob eine Weihnachtsbeleuchtung unter eine Baubewilligungspflicht fällt, ist durch Auslegung des im Heimatkanton geltenden Baurechts zu ermitteln. Das Bundesgericht geht derweil davon aus, dass übliche Weihnachtsdekoration und -beleuchtung von Wohnhäusern keinen bewilligungspflichtigen Tatbestand darstellt (BGer 1A.202/2006 v. 10.09.2007, E. 5). Das Gericht führt aus: Es sei ausreichend, wenn die baupolizeiliche Überprüfung dann ansetze, wenn es zu konkreten Anständen komme, wie etwa zu Klagen eines/einer Nachbarn/In oder Störungen der Verkehrssicherheit. Es würde einen unverhältnismässigen administrativen Aufwand sowohl für einen/eine Beschwerdegegner/In als auch für die Baubehörden bedeuten, jedes Jahr aufs Neue ein ordentliches Baubewilligungsverfahren für die Weihnachtsbeleuchtung durchführen zu müssen (BGer 1A.202/2006 v. 10.09.2007, E. 5.4).

Es bestünde, so das Bundesgericht weiter, zwar die Möglichkeit, eine zeitlich unbefristete Baubewilligung zu erteilen, in der die zulässige Beleuchtung abstrakt durch Zahlen-, Grössen-, Flächen- und Lichtstärkenangaben umschrieben würde. Die Formulierung einer solchen Bewilligung wäre jedoch sehr schwierig, weshalb künftige Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer konkreten Weihnachtsbeleuchtung nicht von vornherein auszuschliessen wären. Mit anderen Worten würde eine solche Bewilligung nicht wesentlich mehr Rechtssicherheit bieten als eine nachträgliche Verfügung (BGer 1A.202/2006 v. 10.09.2007, E. 5.4).

Eine Baubewilligungspflicht für eine temporäre Weihnachtsbeleuchtung ist demnach nur in Ausnahmefällen denkbar – so etwa, wenn grössere Aufbauten erstellt werden oder ein Verstoss gegen Immissionsvorschriften, beispielsweise durch eine aussergewöhnlich unruhige und/oder helle Weihnachtsdekoration, zu befürchten ist oder aber die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird (vgl. BGer 1A.202/2006 v. 10.09.2007, E. 5.2 mit Hinweisen).

Nachbarrecht

Bei nachbarlichen Konflikten können neben den Verwaltungsbehörden auch die Zivilgerichte angerufen werden. Grundsätzlich ist jedermann verpflichtet, sich bei der Ausübung seines/ihres Eigentums aller übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum einer/eines anderen zu enthalten (Art. 684 ZGB). Bei der Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger, d.h. übermässiger Immission, ist die Intensität der Einwirkungen massgebend. Diese beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Der/die Richter/In hat eine sachlich begründete Abwägung der Interessen vorzunehmen, wobei er/sie den Massstab des Empfindens eines Durchschnittsmenschen in der gleichen Situation zugrunde zu legen hat (BGE 126 III 223, E. 4.a). Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht (Art. 684 Abs. 2 ZGB).

Liegt eine Übermässigkeit vor, besteht neben einem Beseitigungsanspruch auch die Möglichkeit Schutz vor zukünftigen Verletzungen zu verlangen (Art. 679 ZGB). Sollte durch die Überschreitung des Eigentumsrechts ein Schaden entstanden sein, besteht weiter ein Schadenersatzanspruch. Zur Klage berechtigt ist neben der/dem Eigentümer/In auch der/die Mieter/In oder der/die Inhaber/In eines dinglichen Rechts.

Neben der Verantwortlichkeitsklage aus Art. 679 ZGB steht einem/einer betroffenen Nachbarn/In auch die Besitzesschutzklage (Art. 928 ZGB) zur Verfügung. Auch damit kann auf Beseitigung der Störung, Unterlassung fernerer Störung und Schadenersatz geklagt werden.

Ein gewisses Mass an Immissionen ist auch bei normaler Nutzung eines Grundstücks unvermeidlich und muss daher hingenommen werden – selbst wenn diese lästig oder gar schädlich sind. Entscheidend ist also deren Intensität, wobei dem/der Richter/In ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht. Der oben zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgend, wird in der Adventszeit eine höhere Toleranz betreffend Lichtimmissionen durch Weihnachtsbeleuchtung einzufordern sein.

Sollte eine Lichtimmission, sei es aufgrund der Intensität, Dauer oder Belichtung empfindlicher (Schlaf-)Räume, aber tatsächlich über das tolerierbare Mass hinausgehen, besteht die Möglichkeit zivilrechtlich gegen die Beleuchtung vorzugehen. Ob ein zivilrechtliches Vorgehen im Hinblick auf ein bestehendes Kostenrisiko und die anzunehmende Verfahrensdauer sinnvoll ist, wäre im Einzelfall zu prüfen.

Fazit

Eine allgemeine Baubewilligungspflicht für eine übliche Weihnachtsbeleuchtung besteht nicht.

Aufgrund der bundesgerichtlichen Praxis ist Lichtimmissionen in der Advents- und Weihnachtszeit, d.h. vom 1. Advent bis am 6. Januar, grundsätzlich mit einer höheren Toleranz zu begegnen. In jedem Fall ist eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Insbesondere sehr üppige, helle oder extrem unruhige Beleuchtungen könnten auch während der Adventszeit eingeschränkt oder untersagt werden.

Folglich ist trotz der erhöhten Toleranzgrenze in der Adventszeit zu empfehlen, sich auf eine dezente und ruhige Weihnachtsbeleuchtung zu beschränken, die zudem über eine Zeitschaltuhr gesteuert wird.