COVID-19 Verordnung zum Thema Justiz und Verfahrensrecht

An der Pressekonferenz vom 16. April 2020 hat der Bundesrat seinen Weg aus dem Corona-Lockdown aufgezeigt. Gleichzeitig hat er verschiedene neue Verordnungen erlassen. Mit der Verordnung Justiz und Verfahrensrecht hat der Bundesrat weitgehende Änderungen in praktisch allen Verfahren des Zivilrechts vorgesehen. Die Verordnung tritt am 20. April 2020 in Kraft und ist vorerst bis auf den 30. September 2020 befristet. Schärer Rechtsanwälte bietet Ihnen nachfolgend eine erste Übersicht.

I. Allgemeine Massnahmen der Verordnung

Gemäss Art. 1 müssen die Gerichte und Behörden dort wo Parteien, Zeugen und Dritte an Verhandlungen und Einvernahmen teilnehmen, die Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und soziale Distanz einhalten und umsetzten. Gemäss den Erläuterungen des EJPD gilt die Verordnung nur für Zivilverfahren. Auf Massnahmen in Straf- und Verwaltungsverfahren wird verzichtet.

II. Massnahmen in Zivilverfahren

Art. 2: Verhandlungen dürfen in Abweichung von Art. 54 ZPO per Videokonferenz durchgeführt werden, sofern die Parteien damit einverstanden sind oder wichtige Gründe (wie besondere Dringlichkeit) vorliegen. Auch Zeugeneinvernahmen und die Erstattung von Gutachten können per Videokonferenz durchgeführt werden.

Der Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Videokonferenzen kann pauschal eingeschränkt werden. Ausgenommen sind akkreditierte Medienschaffende und berechtigte Personen, welche ein Gesuch um Zugang zu einer solchen Videokonferenz stellen.

Art. 3: In eherechtlichen Summarverfahren, in Scheidungsverfahren und bei Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten können persönliche Anhörungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werden, insofern die Parteien damit einverstanden sind und keine wichtigen Gründe dagegensprechen. Bei Dringlichkeit kann ausnahmsweise auf das Einverständnis verzichtet werden.

Art. 4: Beim Einsatz von Video- und Telefonkonferenzen ist die zeitgleiche Übertragung zwischen allen Beteiligten sicherzustellen. Bei Anhörungen in den eherechtlichen Verfahren nach Art. 3 und bei Zeugeneinvernahmen und Anhörungen von Gutachtern nach Art. 2 Abs. 2 hat eine Aufzeichnung von Ton und gegebenfalls auch Bild zu erfolgen, welche zu den Akten genommen wird. Der Datenschutz ist zu gewährleisten. Diesbezüglich ist eine end-to-end Verschlüsselung sicherzustellen. Ebenso müssen die benutzten Server in der Schweiz oder EU stehen.

Art. 5: Das Gericht erhält die Möglichkeit sowohl im ordentlichen Verfahren, im vereinfachten Verfahren und bei den besonderen eherechtlichen Verfahren ganz auf die Durchführung einer Verhandlung zu verzichten, wenn die Durchführung mittels Video- oder Telefonkonferenz nicht möglich oder unzumutbar ist. Es muss Dringlichkeit bestehen und es dürfen keine wichtigen Gründe gegen den Verzicht auf eine Verhandlung sprechen. Den Parteien ist das rechtliche Gehör zu gewähren. Nach Art. 6 können in Verfahren des Kindes- und Erwachsenenschutzes ebenfalls Video- und Telefonkonferenzen eingesetzt werden.

III. Betreibungsverfahren

Auch in Betreibungsverfahren sieht der Bundesrat Anpassungen vor.

Gemäss Art. 7 dürfen Betreibungs- und Konkursämter Mitteilungen, Verfügungen, Entscheide und Betreibungsurkunden nur mit Zustellnachweis und ohne Empfangsbestätigung (per A-Post Plus) zustellen, wenn ein erster ordentlicher Zustellversuch scheitert oder aufgrund besonderer Umstände unmöglich oder aussichtslos ist. Der Empfänger muss am Vortag der Zustellung telefonisch über die Zustellung informiert werden. Darauf kann verzichtet werden, wenn damit gerechnet werden darf, dass er am Vortag eine schriftliche oder elektronische Mitteilung über die Zustellung erhalten hat. Das Betreibungs- oder Konkursamt entscheidet über die Wiederherstellung einer solchen versäumten Frist.

Gemäss Art. 9 ist neu eine Versteigerung von beweglichen Vermögensstücken über eine öffentlich zugängliche Online-Plattform möglich.

 

Haben Sie Fragen zu den neuen Verfahrensbestimmungen? Das Team von Schärer Rechtsanwälte steht Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Unternehmen können sich diesbezüglich auch an unseren Corona-Helpdesk (coronahelpdesk@5001.ch) wenden, um eine 30-minütige kostenlose Rechtsauskunft zu erhalten.