Distressed M&A: Unternehmenskäufe und Umstrukturierungen zur Sanierung in der Covid-19-Krise

Jede Krise birgt auch Chancen. Winston Churchill sagte: «Never let a good crisis go to waste». Dies mag heute angesichts des Corona-Virus zynisch klingen. Für krisengeplagte Unternehmen kann es aber tatsächlich Sinn ergeben, betroffene Betriebsteile an Dritte zu verkaufen oder angeschlagene, aber noch gewinnbringende Betriebsteile konzernintern zu retten. Auf der anderen Seite bietet die jetzige Krise Investoren und Konkurrenten interessante Möglichkeiten, angezählte Unternehmen und Betriebsteile zu attraktiven Preisen zu erwerben. In der Krise kommen bei solchen Unternehmenskäufen und Umstrukturierungen allerdings Aspekte und Risiken hinzu, die es zur optimalen Nutzung der erhofften Chancen zu beachten gilt.

Verkauf von Unternehmen oder Betriebsteilen an Dritte

Bei Unternehmensverkäufen werden grundsätzlich zwei Strukturierungsvarianten unterschieden: 1. der sog. Share Deal oder 2. der sog. Asset Deal an. Bei einem Share Deal wird ein Unternehmen durch den Kauf der Aktien einer Gesellschaft übernommen, d.h. der Share Deal wird zwischen den Aktionären abgeschlossen. Beim Asset Deal hingegen werden die Vermögenswerte der Gesellschaft als Ganzes von der Gesellschaft an einen Käufer verkauft.

Der Share Deal ist zwar betreffend Abwicklung und Modalitäten einfacher, in Krisensituationen aber weniger attraktiv, da der Käufer das Unternehmen mit allen Passiven übernehmen muss, welche selbstredend regelmässig erheblich sein werden. Beim Asset Deal haben die Parteien grösseren Spielraum. Hier kann die kaufende Partei nur die von ihr gewünschten Aktiven bzw. Betriebsteile der verkaufenden Gesellschaft erwerben und damit übernehmen (sog. Cherry Picking).

Beim Asset Deal in der Krise ist allerdings ein gewichtiges Risiko zu beachten, namentlich die Gefahr eines Konkurses der Verkäuferin. Wurde der Betriebsteil oder ein einzelnes Aktivum nicht zu einem marktüblichen Preis verkauft, kann der Kaufvertrag Gegenstand einer konkursrechtlichen Anfechtungsklage und können die Vermögenswerte dem Käufer wieder entzogen werden (sog. paulianische Anfechtung). Verkauft der Verwaltungsrat einen Betrieb vor der Eröffnung des Konkurs- oder Nachlassverfahrens an einen Dritten zu einem Preis, der unter dem Verkehrswert liegt, so setzt er sich dem Vorwurf aus, dass er Aktiven verschleudert und die Interessen der Gesellschaft nicht genügend gewahrt hat. In einer derartigen Situation müssen die einzelnen Verwaltungsratsmitglieder nebst der paulianischen Anfechtung auch entsprechende Haftungsklagen der Gläubiger, und im Extremfall auch eine strafrechtliche Verfolgung gegenwärtigen. Es empfiehl sich daher, den Kaufpreis gutachterlich absegnen zu lassen.

Eine Möglichkeit, diesen Risiken vorzubeugen, ist der sog. Prepackaged Bankruptcy Sale als Variante des Asset Deals. Hierbei begibt sich die angeschlagene Gesellschaft in ein Verfahren um vorläufige und damit zunächst nicht öffentliche Nachlassstundung. Mit dem Begehren um vorläufige Nachlassstundung wird ein Nachlassvertragskonzept eingereicht, das die Veräusserung des angeschlagenen Betriebes an eine Auffanggesellschaft vorsieht, wobei diese Auffanggesellschaft entweder schon von einem Dritten beherrscht wird oder zunächst eine Tochtergesellschaft der verkaufenden Gesellschaft ist, welche später dann im Rahmen eines Share Deal an die Käuferin verkauft wird (sog. Hive Down). In einem derartigen Gesuch muss dem Richter detailliert dargelegt werden, weshalb der sofortige Verkauf für die Gläubiger günstig ist und auch die Dringlichkeit muss nachgewiesen werden. In der gegenwärtigen Krise kommt den Unternehmen dabei zugute, dass durch die COVID-19-Stundung ein Nachlassstundungsverfahren schon möglich ist, wenn die Sanierung der Gesellschaft oder ein Nachlassvertrag mit der Gläubigerin nicht offensichtlich aussichtslos erscheint. Wenn der Kaufvertrag bzw. der Verkauf eines Betriebsteils durch das zuständige Nachlassgericht genehmigt wird, ist das Übernahmegeschäft selbst in einem allfälligen Konkurs der Verkäuferin vor einer konkursrechtlichen Anfechtung geschützt und die Haftungsrisiken des Verwaltungsrats werden minimiert.

Umstrukturierung (Rettung eines Betriebsteils)

Wird ein Betrieb bzw. Teilbetrieb, der für sich betrachtet lebensfähig ist, in einen Konkurs einbezogen und liquidiert, so gehen nicht nur die Arbeitsplätze verloren, sondern auch der Wert des Betriebes, der beim Verkauf der einzelnen Aktiven in einem Konkursverfahren nicht realisiert werden kann, also der sog. Fortführungswert. In einer derartigen Situation kann es für alle Beteiligten, d.h. die Gesellschaft und deren Gläubiger, positiv sein, vor dem Konkurs den betreffenden Betriebsteil oder gar nur ein einzelnes Aktivum (wie bspw. eine grosse Produktionsanlage) auszugliedern, also den noch Ertrag bringenden Betriebsteil aus einer finanziell angeschlagenen Gruppengesellschaft vor deren Konkurs in eine gesunde Gruppengesellschaft zu retten. Im Unterschied zum oben beschriebenen Verkauf an einen Dritten steht also nicht die Veräusserung des gewinnbringenden Betriebs eines Unternehmens im Vordergrund, sondern dessen Rettung innerhalb eines Konzerns.

Eine derartige Umstrukturierung kann zivilrechtlich auf verschiedene Weise abgewickelt werden. So kann beispielsweise eine in finanzielle Schwierigkeiten geratene Gruppengesellschaft im Rahmen einer Fusion in oder mit einer anderen Gruppengesellschaft verschmolzen werden. Bei dieser Variante schluckt aber die gesunde Gesellschaft auch die Schulden der in Schieflage geratenen Gesellschaft, was häufig vermieden werden soll.

Eine weitere Variante besteht darin, dass die Gruppengesellschaft den gewinnbringenden Betriebsteil via eines Asset Deals oder einer Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz an eine andere Gruppengesellschaft verkauft. Hierbei muss aber der innerhalb der Gruppe bezahlte Kaufpreis ebenfalls einem Markpreis entsprechen, ansonsten sich die Verantwortlichen den obgenannten Haftungsrisiken aussetzen und der entsprechende Vertrag konkursrechtlich von Gläubigern oder auch gesellschaftsrechtlich angefochten werden kann (Stichwort verdeckte Ausschüttung). In der Praxis wird hierbei häufig übersehen, dass nicht nur der Buchwert eines Betriebsteils, sondern auch dessen Goodwill in den Marktwert mit einbezogen werden muss, ansonsten es zu heiklen Haftungsfragen kommen kann.

Fazit

Der Verkauf eines Betriebsteils in der Krise oder dessen Rettung innerhalb eines Konzerns kann für Verkäufer und Dritte Chancen bieten, die geeignete Struktur will aber wohl gewählt sein. Das Team von Schärer Rechtsanwälte berät Sie im Einzelfall gerne. Schärer Rechtsanwälte vertritt derzeit Unternehmen bei konzerninternen Umstrukturierungen und Unternehmenskäufen im Zusammenhang mit in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Betriebsteilen oder Tochtergesellschaften.

Kevin Gisler | Tom Schaffner