Geodiskriminierungsverbot in der Schweiz

Will man auf einer ausländischen Website einkaufen, wird man oft automatisch zum Schweizer Online-Shop weitergeleitet – und muss dort häufig massiv höhere Preise bezahlen. Ermöglicht wird dies durch Geoblocking-Massnahmen. Diese (und weitere Verhaltensweisen im Fernhandel) sind seit 1. Januar 2022 in der Schweiz grundsätzlich verboten.

Verbot der Geodiskriminierung im Lauterkeitsrecht

Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, kurz UWG, enthält neu eine ausdrückliche Bestimmung zur Diskriminierung im Fernhandel: Gemäss dem neuen Art. 3a UWG handelt unlauter, wer im Fernhandel ohne sachliche Rechtfertigung

  • einen Kunden in der Schweiz aufgrund seiner Nationalität, seines Wohnsitzes, des Ortes seiner Niederlassung, des Sitzes seines Zahlungsdienstleisters oder des Ausgabeorts seines Zahlungsmittels beim Preis oder bei den Zahlungsbedingungen diskriminiert;
  • einem solchen Kunden den Zugang zu einem Online-Portal blockiert beziehungsweise beschränkt; oder
  • einen solchen Kunden ohne sein Einverständnis zu einer anderen als der ursprünglich aufgesuchten Version des Online-Portals weiterleitet.

 

Was unzulässig ist

Ausländische Online-Shops dürfen Schweizer Kunden demnach weder den Zugang blockieren, noch die Kunden auf andere Seiten weiterleiten. Schweizer Kunden müssen vielmehr die Möglichkeit haben, in ausländischen Online-Shops eine Bestellung aufzugeben. Konsumenten und Unternehmen aus der Schweiz müssen zudem von ausländischen Online-Shops wie einheimische Nachfrager behandelt werden und müssen von den gleichen Preisen und Zahlungsbedingungen profitieren können, wie die Einheimischen. Entsprechend dürfen ausländische Anbieter von Schweizer Kunden keinen höheren Preis verlangen. Zumindest nicht ohne sachlichen Grund.

Was zulässig bleibt

Nach wie vor zulässig sind Differenzierungen aus sachlichen Gründen. Zulässig sind etwa höhere Preise aufgrund von unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen oder zusätzlichen Versand- oder Zollkosten. Zudem gibt es für ausländische Anbieter keine Lieferpflicht in die Schweiz. Anbieter dürfen auf Lieferungen in die Schweiz verzichten und verlangen, dass der Kunde eine Bestelladresse im Inland angibt.

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Die neue Regelung gilt nicht für alle Produkte und Dienstleistungen. Ausgenommen werden etwa Dienstleistungen im Finanzbereich, öffentlichen Verkehr, Gesundheitsbereich, soziale Dienstleistungen, private Sicherheitsdienste, Glücksspiele und audiovisuelle Dienste (Streaming-Dienstleister wie Netflix oder Pay-TV).

Durchsetzung

Die Durchsetzung des neuen Geodiskriminierungsverbots ist nur über die Zivilgerichte möglich. Anders als bei zahlreichen anderen Bestimmungen des UWG ist keine strafrechtliche Verfolgung und Sanktionierung vorgesehen. Für betroffene Kunden und Unternehmen ist die Durchsetzung entsprechend immer mit einem Prozess- und Kostenrisiko verbunden.

 

Verbot der Geodiskriminierung im Kartellrecht

Auch das Kartellgesetz, kurz KG, verfolgt (unter anderem) den Zweck, Geodiskriminierung von Kunden in der Schweiz zu verhindern. Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. g KG ist es gewissen Unternehmen neu explizit verboten, die Möglichkeit der Nachfrager einzuschränken, Waren oder Dienstleistungen, die in der Schweiz und im Auslands angeboten werden, im Ausland zu den dortigen Marktpreisen und branchenüblichen Bedingungen zu beziehen («Beschaffungsfreiheit im Ausland»).

 

Geltungsbereich

Vom Verbot sind nicht alle Wirtschaftsakteure, sondern nur marktbeherrschende und relativ marktmächtige Unternehmen erfasst. Um das Vorhandensein relativer Marktmacht feststellen zu können, ist in erster Linie zu prüfen, ob ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten für das potenziell abhängige Unternehmen vorhanden sind.

Durchsetzung

Die Durchsetzung des kartellrechtlichen Geodiskriminierungsverbots ist ebenfalls über die Zivilgerichte möglich. Von grösserer Bedeutung ist aber, dass die Wettbewerbskommission (WEKO) bzw. deren Sekretariat auf Anzeige hin oder auch von Amtes wegen eine Untersuchung einleiten kann, wenn ein Unternehmen mutmasslich Art. 7 Abs. 2 lit. g KG verletzt hat.

 

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