Volljährigenunterhalt: Wie lange dauert die Unterhaltspflicht?
Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert bis zur Volljährigkeit des Kindes oder bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung (Art. 277 Abs. 1 und 2 ZGB). Angesichts der Lebensrealität, wonach eine Ausbildung in den wenigsten Fällen bis zum 18. Lebensjahr abgeschlossen wird, hat sich die Leistung von Volljährigenunterhalt zum Regelfall entwickelt. Aber wann ist eine Ausbildung angemessen? Was gilt noch als Erstausbildung? Wie weiter, wenn das mündige Kind die Ausbildung abbricht und eine neue beginnt? Gibt es eine Maximalunterhaltsdauer? Und besteht die Unterhaltspflicht auch dann, wenn das Kind den persönlichen Kontakt verweigert?
Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht nach Volljährigkeit
Volljährigenunterhalt ist grundsätzlich immer dann geschuldet, wenn ein volljähriges Kind noch keine angemessene Ausbildung hat und es seinen Eltern zumutbar ist, einen Beitrag an seinen Unterhalt zu leisten (Art. 277 ZGB). Geht das sich in Ausbildung befindende volljähriges Kind einem Nebenerwerb nach, führt dies zu einer Reduktion des Unterhaltsanspruchs (Art. 276 Abs. 3 ZGB). Es steht im richterlichen Ermessen, in welchem Umfang dieses Einkommen berücksichtigt wird. Schliesslich müssen sich Volljährige hinter anderen Unterhaltsgläubigern einreihen (der Unterhalt minderjähriger Kinder und Ehegatten geht vor).
Angemessenheit der Erstausbildung
Ob eine Ausbildung angemessen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. So trägt die Angemessenheit insbesondere auch den Fähigkeiten des Kindes und dem Bildungsstand seines familiären Umfelds Rechnung, je nach dem kann dies der Abschluss einer Berufslehre oder aber eines Hochschulstudiums sein.
Des Weiteren können Erfordernisse der beruflichen Realität im entsprechenden Berufsfeld eine Rolle spielen. Beispielsweise kann im einen Fall erst der Abschluss einer Zusatzausbildung nach der Berufslehre als angemessene Erstausbildung qualifiziert werden (z.B. Meisterprüfung), während dies in einem anderen Fall auf ein weiterführendes Studium nach der Lehre nicht zutrifft (z.B. Besuch der pädagogischen Hochschule nach dem Abschluss einer Berufslehre). Mitentscheidend ist regelmässig auch die vorgängig getroffene Absprache: Stellt die Lehre gemäss dem Ausbildungsplan nur eine erste Etappe dar, ist das anschliessende Studium ebenfalls Teil der angemessenen Ausbildung und kann einen Unterhaltsanspruch bis zum Abschluss des Studiums begründen.
Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitausbildung
Grundsätzlich besteht die Unterhaltspflicht nur bis zum Abschluss der Erstausbildung, danach sollte das Kind in der Lage sein, selber für seinen Bedarf aufkommen, so auch für eine allfälligen Aus- oder Weiterbildung. Eine Zweitausbildung ist folglich nicht vom Volljährigenunterhalt gedeckt. Die rechtliche Qualifikation als Erst- oder Zweitausbildung ist im wiederum im Einzelfall vorzunehmen: Der Abschluss einer Berufslehre gilt als Erstausbildung, mit oder ohne Berufsmaturität. Demgegenüber gilt das Erlangen der Maturität am Gymnasium oder der Kantonsschule noch nicht als Erstausbildung. Beim anschliessenden Studium ist nicht restlos geklärt, ob ein Bachelor-Abschluss den Anforderungen an die Angemessenheit der Erstausbildung genügt oder erst der Masterabschluss. Das Studium an der Fachhochschule gilt in der Regel dann als Zweitausbildung, wenn das Kind zuvor erfolgreich eine Berufslehre absolviert hat.
Abbruch der Ausbildung und ewige Studenten
Erfolgt der Abbruch willkürlich, kann die Pflicht zur Leistung von Volljährigenunterhalt enden. Mitentscheidend ist, ob sich das Kind ernsthaft bemüht, wobei kein allzu strenger Massstab anzuwenden ist: Beim Nichtbestehen einer Zwischenprüfung endet die Unterhaltspflicht jedenfalls (noch) nicht. Kommt es zu einem unverschuldeten Abbruch, ruht die Pflicht zur Unterhaltszahlung lediglich und lebt beim Aufgreifen einer neuen Ausbildung wieder auf. Zwischen den Ausbildungen ist es dem volljährigen Kind zumutbar, seinen eigenen Bedarf durch die Ausübung von Aushilfetätigkeiten zu decken.
Aus der Rechtsprechung ergibt sich keine Maximaldauer, innert welcher eine Ausbildung abzuschliessen ist bzw. nach welcher die Pflicht zur Leistung von Volljährigenunterhalt absolut endet. In Einzelfällen können sogar mehrere Abbrüche und Wechsel der Ausbildung im Rahmen des Zumutbaren liegen. Das Bundesgericht äusserte sich in Bezug auf Langzeitstudenten immerhin dahingehend, dass das Kind mit zunehmendem Alter umso weniger auf Volljährigenunterhalt angewiesen ist.
Kontaktverweigerer
Neben der wirtschaftlichen ist auch die persönliche Zumutbarkeit zur Leistung von Volljährigenunterhalt zu prüfen. So kann die Unterhaltspflicht unzumutbar sein, wenn das volljährige Kind den Kontakt zum unterhaltspflichtigen Elternteil verweigert, währenddessen die Kontaktverweigerung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil ohne Belang ist. Insgesamt werden in der Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen an den Einwand der Unzumutbarkeit gestellt.
Fazit
Unstreitig hat jedes Kind bis zum Abschluss einer angemessenen beruflichen Erstausbildung Anspruch auf Unterhalt. Was konkret unter Angemessenheit zu verstehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ebenso die Qualifikation als Erst- oder Zweitausbildung. Auch bei den Spezialfällen Ausbildungsabbruch, nicht enden wollenden Ausbildungen und Kontaktverweigerung bietet die Rechtsprechung keine allgemeingültigen Regeln.