Warum sich eine anwaltliche Beratung auch im Strafvollzug lohnt

Die meisten Strafverteidigungsmandate enden mit einem Strafurteil. Nach Eintritt der Rechtskraft ist das Strafurteil aber noch zu vollziehen. Der Strafvollzug wird von vielen Verurteilten ohne anwaltliche Unterstützung durchlaufen. Gerade in Fällen, in denen eine kurze, unbedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, kann sich die anwaltliche Unterstützung lohnen, birgt der Strafvollzug doch einige praktische und juristische Stolpersteine.

Im Bereich von kurzen Freiheitsstrafen bietet das Gesetz Alternativen zum Strafvollzug im Gefängnis, wie z.B. die Halbgefangenschaft (Art. 77b StGB) oder die elektronische Überwachung (Art. 79b StGB, sog. Electronic Monitoring). In einem kürzlich publizierten Urteil hat das Bundesgericht den Anwendungsbereich von Electronic Monitoring ausgeweitet. Neu kann auch für teilbedingte Strafen, bei welchen der unbedingte, d.h. der zu vollziehende, Teil der Strafe nicht mehr als 12 Monate beträgt, das Electronic Monitoring beantragt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 7B_261/2023 vom 18. März 2024, E. 2.4.). Bis anhin war das Electronic Monitoring nur für Freiheitsstrafen, welche insgesamt (d.h. der bedingte und unbedingte Teil zusammen) maximal 12 Monate betragen, möglich. Doch nicht nur die Länge der ausgesprochenen Strafe ist eine Voraussetzung für die alternativen Vollzugsformen: Die meisten alternativen Vollzugsformen setzen u.a. voraus, dass einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgegangen wird und nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte flieht oder weitere Straftaten begeht (keine Flucht- und Rückfallgefahr).

Während bei der Halbgefangenschaft z.B. tagsüber die Arbeitstätigkeit fortgeführt wird und nach Feierabend wieder in die Strafvollzugsanstalt zurückgekehrt werden muss, kann der/die Verurteilte beim Electronic Monitoring die Haftstrafe zu Hause im «Hausarrest» vollziehen. In der Ausgestaltung des Electronic Monitorings gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Beispielsweise kann statt oder zusätzlich zu einem Hausarrest ein Rayonverbot oder Rayonarrest angeordnet und mittels Electronic Monitoring überprüft werden. Der/die Verurteilte darf sich diesfalls nur in einer vereinbarten Zone aufhalten. Weitere Varianten sind das Bewegungsprofil oder das Kontaktverbot. Die Varianten des Electronic Monitoring können auch miteinander kombiniert werden.

Ob eine alternative Vollzugsform gewährt werden kann, wird durch die zuständige kantonale Behörde entschieden. Meist wird das Electronic Monitoring oder die Halbgefangenschaft aufgrund eines Gesuchs des/der Verurteilten geprüft, diese können aber auch ohne Zustimmung des/der Verurteilten angeordnet werden. Alternative Vollzugsformen sind jedoch meist im Interesse des/der Verurteilten, da z.B. der Kontakt zur Aussenwelt weiterbesteht, die Arbeit weiterhin wahrgenommen oder im Falle des Electronic Monitorings die Strafe gar zu Hause vollzogen werden kann. Jedoch sind auch die alternativen Vollzugsformen kein Zuckerschlecken: insb. das Electronic Monitoring setzt ein hohes Mass an Selbstdisziplin voraus und kann (wie jede Vollzugsform) psychisch belastend sein. Summa summarum wird bei den meisten Verurteilten, sofern die Möglichkeit besteht, eine alternative Vollzugsform dem Normalvollzug vorgezogen.

Wenn der Vollzug einer Strafe in einer Alternativform gewährt wird, muss die betroffene Person sich strikte an die Weisungen und Vorgaben halten und während der gesamten Dauer des Vollzugs die gesetzlichen Voraussetzungen für die alternative Vollzugsform (z.B. Arbeitsstelle) erfüllen. Werden diese Vorgaben nicht erfüllt, muss die Strafe in der Regel trotzdem im Normalvollzug, z.B. einem Gefängnis, verbüsst werden (Art. 77b Abs. 4, Art. 79a Abs. 6 und Art. 79b Abs. 3 StGB; Ausnahmsweise Halbgefangenschaft: Art. 79a Abs. 6 und Art. 79b Abs. 3 StGB).

Der Strafvollzug ist in der Kompetenz der Kantone (Art. 123 Abs. 1 und 2 BV). Folglich gibt es sowohl betreffend Verfahrensablauf, Kosten des Vollzugs sowie Verfügbarkeit der Anstalten Unterschiede. Zudem sind die rechtlichen Möglichkeiten der Vollzugsformen divers. Ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin behält die diversen Rechtsgrundlagen im Blick, kann Sie betreffend unterschiedliche Vollzugsformen beraten und Ihnen helfen, die Voraussetzungen für alternative Vollzugsformen zu schaffen. Wir unterstützen Sie bei Bedarf gerne, damit auch nach einer strafrechtlichen Verurteilung Ihre Rechte jederzeit gewahrt bleiben.

 

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